Fieseler Fi 103 - Zelle Flugzeuge ohne Piloten Seit dem Ersten Weltkrieg wurden überall auf der Welt Versuche mit pilotenlosen Flugzeugen als Bombenträger angestellt. Grundlage waren dafür kleinere konventionelle Flugzeuge mit Propellerantrieb, die eigens für diese Aufgabe entwickelt wurden. Zellenseitig und vom Antrieb her konnten die Anforderungen erfüllt werden. Wenn auch der Bauaufwand für den Motor für ein Verlustgerät oft sehr hoch war. Deshalb versuchte man sich immer wieder mit einem Rückkehrgerät. War der gesteuerte Hinflug schon mehr als die damaligen Steuergeräte leisten konnten, so war ein zusätzlicher Rückflug zu einem Bergungsgebiet nicht zu leisten. Das von Paul Schmidt in München Anfang der 1930er-Jahre entwickelte Pulso-Schubrohr bot eine Alternative zum teuren Kolbenmotor. Sein Entwurf für einen “Lufttorpedo” mit diesem Antrieb, wurde jedoch vom Heereswaffenamt und später von der Luftwaffe abgelehnt. Wie auch bei ähnlichen Projekten anderer Erfinder, wurde die mangelnde Zielgenauigkeit im Vergleich zu bemannten Bombern bemängelt. Man glaubte, die Verluste bei bemannten Flugzeugen in Grenzen halten zu können. Einfache Produktion war gefordert Als sich während der Luftschlacht um England die Vorstellung vom deutschen Bomber, der immer durch- und zurückkommt als Illusion erwies, wurde die Idee eines Verlustgerätes plötzlich sehr attraktiv. Die Zielgenauigkeit, die auf Grund theoretischer Überlegungen mit einem Fehlerkreis von 50 Prozent der Treffer (CEP) von etwa 4,5 Kilometern um das Ziel berechnet wurde, war nach den bisherigen Erfahrungen des Bombenkrieges kein Hinderniss mehr. Britische Nachtbomber brachten es bis 1942 auf einen CEP von etwa 30 km. Je nach Witterungsbedingungen lagen 1941 nur 7 bis 20 Prozent der britischen Bomben in einem Kreis von 8 km Radius um das Ziel. Gefordert wurde von der Luftwaffe also ein Verlustgerät, welches aus Sparstoffen ohne großen Fertigungsaufwand gebaut werden konnte. Angetrieben sollte der Flugkörper von einem Argus-Schmidt-Rohr. Aus der Haltbarkeit des Schubrohres von anfangs nur 30 Minuten ergab sich eine Reichweite von etwa 250 km. Über diese Distanz sollte eine Ladung befördert werden, die ungefähr der einer 1000-kg-Bombe entsprechen sollte. Die Konstruktion wurde Gerd Fieseler übertragen. In Kooperation mit dem Volkswagenwerken, welche die Flugbombe bauen sollten, wurde eine Zelle aus Stahlblech entworfen. Anfangs noch aerodynamisch günstig als Spindel konzpiert, wurde der Rumpf bald zu einem zentralen Zylinder und Kegelstücken vereinfacht. Der Zylinder im Schwerpunkt war als Tank ausgelegt, so verschob sich beim Leeren des Tanks der Schwerpunkt des Flugkörpers nicht. Die Tragflächen wurden auf einen Rohrholm aufgeschoben, der mitten durch den Tank ging. Entsprechend den Fertigungserfahrungen bei Volkswagen wurden die Stahlbleche geschweißt, an weniger belasteten Teilen gepunktet. Ursprünglich wurden auch die Flügel aus Blech mit 9 Rippen gefertigt. Diese waren aber nicht stabil genug, also wurden die Bleche dicker gewählt und mehr Rippen benutzt - dann waren die Flügel jedoch sehr schwer. Die Tragflächen der Serienversion waren schließlich eine einfache Sperrholzkonstruktion mit 14 Rippen und einem Hilfsholm hinten und einem an der Flügelnase. An der Nasenkante konnte eine Metallschiene als “Kuto-Nase” zum Zerschneiden der Kabel von Ballonsperren eingebaut werden. Zum Kriegsende wurden wieder Blechflügel gefertigt und an den Produktionstunnel “Mittelbau” geliefert - hier wurden die unbemannte und bemannte Ausführung gebaut. Da auch das Triebwerk sehr einfach aufgebaut war, ergaben sich in der Serienfertigung eine Produktionszeit von 280 Mannstunden. Dazu kam noch die Zeit zum Anbringen des Gefechtskopfes in einer Munitionsanstalt, bevor die Fi 103 an die Front geliefert wurde. In einem Bericht vom Juni 1943 über den Stand der Entwicklung der Fi 103 waren für die Produktion noch etwa 10 Prozent weniger Stunden veranschlagt worden: Zelle:   80 Mannstunden Triebwerk:   40 Mannstunden Steuerung:   80 Mannstunden sonstige Ausrüstung:   50 Mannstunden Insgesamt: 250 Mannstunden Innovativ war nicht nur der Antrieb. Die Förderung des Treibstoffs, die Betätigung der Rudermaschinen und der Antrieb der Kurs- und Dämpfungskreisel erfolgte durch Druckluft. Damit die Tanks mit ausreichender Luftmenge in den Rumpf passten, mussten sie unter hohem Druck stehen, im Einsatz wurden sie mit etwa 170 Atmosphären befüllt. Dies würde bei herkömmlicher Bauweise eine große Wandstärke und hohes Gewicht der Tanks erfordern. Als Lösung wurde das Wickelverfahren genutzt. Eine Blechkugel aus zwei verschweißten Hälften übernahm die druckdichte Behälterfunktion. Die Druckkräfte, welche die Behälterwand dehnen wollten, wurden durch Eisendraht aufgefangen, der um den Tank gewickelt wurde. Dieses Verfahren wird auch heute noch angewendet, wenn auch mit anderen Materialien. Vor dem Treibstofftank befindet sich der sogenannte “Lastraum” - der Sprengkopf. Im Laufe ihrer Einsatzgeschichte wurde die Fi 103 mit verschiedenen Sprengköpfen ausgestattet, die sich hauptsächlich in der Zusammensetzung des Sprengstoffs unterschieden. Bei der Version mit vergrößerter Reichweite wurde der Sprengkopf verkleinert, um mehr Treibstoff unterzubringen. Auch eine Version mit chemischen Kampfstoffen wurde untersucht, aber nie umgesetzt. Die Erzählungen über mögliche nukleare Ladungen sind frei erfunden. Der Lastraum wurde an das Tanksegment mittels außenliegender Frydag-Kupplungen angebracht. Damit brauchten weder Tank noch Sprengkopf Handlöcher für eine innenliegende Verbindung zu enthalten. Die Steuersignale der Gerätespitze mit dem kardanisch aufgehängten Magnetkompass und dem Kreiselkompass mit seinen Dämpfungskreiseln wurden über einen außenliegenden Kabelschacht an das Heck übertragen. Dieser Schacht war auf der Oberseite des Rumpfes, etwas nach Backbord versetzt, befestigt. Das Heck bestand aus dem Kegelstück mit der Triebwerkshalterung und der abschließenden Blech-”Tüte” mit den durch Druckluft beaufschlagten Rudermaschinen. Dazu waren an der Tüte das Höhen- und Seitenleitwerk angebracht. In letzterem befand sich eine Pendelstütze als zweite Halterung für das Pulsoschubrohr. Unter den beiden Flossen des Höhenleitwerks waren während des Fluges je eine verschieden große Klappe angelegt. Durch das Abstiegssignal, welches das Luftlog nach durchflogener Zielentfernung auslöste, wurden beide Klappen durch eine kleine Sprengladung in den Luftstrom gestellt und führten so zum Absturz der Flugbombe. Die Techniker konnten beim Starklarmachen der Fi 103 entscheiden, auf welche Seite die große und die kleine Klappe montiert wurde. So kippten die Flugkörper immer zu einer unterschiedlichen Seite ab. Dies sollte eventuell hinterherfliegende britische Jagdflugzeuge verwirren. Text: -  Uwe W. Jack Abbildungen: -  Mit freundlicher Genehmigung des Militärhistorischen Museums - Flugplatz Gatow    und Sammlung Uwe W. Jack Die Fi 103 ist vom Aufbau her ein konventionelles Flugzeug. Der fehlende Pilot und das Strahlrohr am Heck sind die eigentlich besonderen Merkmale. In Peenemünde wartet ein Versuchsmuster der Fi 103 auf den Start. Beachtenswert ist die vordere Gabel für das Schubrohr, die hier noch außerhalb der aerodynamischen Haube liegt. Gleich verlässt eine Fi 103 die Startrampe. Der Kolben dichtet das Rohr nicht vollständig ab, er gleitet zur Verminderung der Reibung auf einer Dampfschicht, so schießt schon eine Dampfwolke vor dem Kolben aus dem Rampenende. Der Kolben lässt auf seinem Weg durch das Rohr auch etwas Dampf durch den Schlitz austreten, daher die Rauchentwicklung hinter der Flugbombe. Zur Montage der Tragflächen wird der Rohrholm durch den Rumpftank gesteckt, die Flügel werden aufgeschoben und mit Schrauben arretiert. An diesem geborgenen Schrottstück in Berlin-Gatow ist der Tank mit dem Durchbruch für den Tragflächenholm gut zu erkennen. Rechts ist dieser Durchbruch an der restaurierten Fi 103 des Museums Gatow zu sehen. Die hölzernen Tragflächen der Fi 103 im Restaurationshangar des Militärhistorischen Museums Berlin-Gatow. Der leichte Aufbau erwies sich später beim Versuch eine bemannte Version der Flugbombe zu entwickeln als Nachteil. Beim Manövrieren zerlegten die Flügel oft. Vom Heck her in den Behälterraum geschaut, sind die Haltegurte für die beiden Pressluft- Drucktanks zu erkennen. Das Gerät links-oben ist der Druckminderer. Hinten bildet die Wand des Treibstofftanks den Abschluss. Der Rumpf der Fi 103 ohne Heck von beiden Seiten gesehen. Vorn ist die Spitze mit dem Luftlog noch nicht montiert, von der gelben Holzkugel für den Kompass ist eine Hälfte schon eingebaut. Unter dem Rumpf liegen die beiden Presslufttanks und dahinter der Treibkolben der Walter-Schleuder. Die Heck-Tüte mit den Leitwerken. Die beiden Rudermaschinen sind schon installiert. Der Verschlussdeckel liegt vorne auf dem Tisch. Rechts ist die kleine Störklappe (betätigt durch das Abstiegsgerät) zu sehen, sie ist hier an der backbordseitigen Höhenflosse angebracht. Eine doppelte Frydag-Kupplung verbindet die Heck-Tüte mit dem schon restaurierten Mittelteil für die Druckkugeln. Davor befindet auf der Oberseite das Staurohr.