Fieseler Fi 103 - Start
Abheben mit dem Dampfkatapult
Mit der Fieseler Fi 103 sollte unter der Propaganda-Bezeichnung “Vergeltungswaffe Eins”, kurz “V1” der
Bombenkrieg gegen England wieder aufgenommen werden. Als Hauptziel war London vorgesehen. Da die Fi 103 die
Aufgaben der bemannten Bomber der Luftwaffe übernehmen sollte, war von vornherein ein Bodenstart geplant. Bei
einem Luftstart wären sonst ja wieder Bomber der Luftwaffe von Nöten gewesen.
Bei Versuchen erwiesen sich die für Flugzeuge entwickelten Feststoff-Starthilferaketen als ungeeignet. Ein von den
Walterwerken in Kiel zum Abschuss von Torpedogleitern entwickeltes Dampf-Katapult schien aber vielversprechend.
Nach etlichen Umkonstruktionen zeigte sich die sogenannte “Walter-Schleuder” als sehr zuverlässig und leicht zu
bedienen. Die Bedienmannschaften, die von der Flak kamen, sprachen übrigens von einem “Geschütz” und
betrachteten die Flugbombe als “Ferngeschoss”.
Im Prinzip ist die Startschleuder ein Rohr, in dem ein Kolben durch Einblasen von Dampf hindurchgetrieben wird.
Der Dampf wird chemisch erzeugt. Hierzu wird Wasserstoffperoxid durch Mischen mit einem Katalysator in heißen
Wasserdampf und Sauerstoff zerlegt. Das Rohr ist mit sechs Grad aufwärts geneigt und zeigt auf das Ziel - London.
Oben auf dem Rohr sitzt am hinteren Ende die Flugbombe. Dazu ist das Rohr oben mit einer Gleitbahn versehen,
auf der die Flugbombe beim Start entlangrutschen kann. Der Kolben hat einen Zapfen (”Mitnehmer”), der oben aus
dem Startrohr ragt und die Flugbombe mitzieht, wenn sich der Kolben vorwärts bewegt. Dazu ist das Rohr über die
ganze Länge mit einem Schlitz versehen, so kann der “Mitnehmer” des Kolbens in den Katapultbeschlag an der
Unterseite der Fi 103 eingreifen.
Vier verschiedene Auslöser für die Explosion
D
Der Kolben wird im Rohr durch den Druck des chemisch erzeugten Dampfes voran getrieben. Dieser Dampf könnte
hinter dem Kolben durch den Schlitz oben im Rohr entweichen und würde so keine Vortriebskraft mehr leisten.
Deswegen wird dieser Schlitz durch ein Metallrohr abgedichtet.
Vor dem Start wird auf der ganzen Länge der Rampe ein dünnes Rohr mit Drahtschlingen innen/oben im
Schleuderrohr aufgehängt. Am unteren Startende wird das Rohr in eine Führung auf der Oberseite des Kolbens,
unter der Mitnehmernase eingefädelt. Bewegt sich der Kolben nun vorwärts, presst er das dünne Dichtungsrohr
hinter sich in den Schlitz. Dadurch wird der Austritt des Dampfes stark reduziert. Für den Startvorgang, der maximal
eine Sekunde dauert, klebt das dünne Rohr durch den Dampfdruck von innen am Schlitz. Bei seinem Weg vorwärts
hat der Kolben alle Drahtschlingen vor sich her geschoben. Fliegt der Kolben schließlich vorn aus der Startrampe,
sinkt der Dampfdruck in der Schleuder und das Dichtungsrohr fällt vom Schlitz ab. Aber da ist die Fi 103 schon auf
dem Weg.
Text:
- Uwe W. Jack
Abbildungen:
- Mit freundlicher Genehmigung des Militärhistorischen Museums - Flugplatz Gatow
und Sammlung Uwe W. Jack
Oben links: In Peenemünde ist eine Fi-103-Startrampe zu besichtigen. Der Kolben
(”Kirchkern” genannt) wird vor dem Start in das Rohr eingeführt. Der Mitnehmer oben greift
durch den Schlitz im Rohr in den Katapultbeschlag der Flugbombe.
Oben rechts: Ein Kirchkern-Kolben in Berlin-Gatow.
Der massive Katpultbeschlag der Fi 103 unter dem zentralen Treibstofftank.
Davor befindet sich eine der Frydag-Kupplungen, mit denen der Sprengkopf
befestigt wurde.
Der Startschleuder durch das Dampfrohr
geschaut. Hierdurch lief der Kolben und zog die
oben aufsitzende Fi 103 mit.
Die Startrampe im Größenvergleich zur Fi 103
Oben: Der Flugkörper wird mit dem Oberwagen
auf die Rampe geschoben und so abgesenkt,
dass der Mitnehmer des Treibkolbens "Kirchkern"
in den Katapultbeschlag unter der
Fi 103 eingreift. Am Heck ruht der Rumpf auf
einem Brett, welches zur Erhöhung der
Gleitfähigkeit gewässert wurde.
Links: Nach Entfernung des Oberwagens wird
der "Kinderwagen" zur Erzeugung des
Heizdampfes an das Rohrende angeflanscht.
Der Techniker in typischer Kluft stellt vor einem
Versuchsflug in Peenemünde die letzten
Druckluftregler auf die Flugwerte ein.
In Peenemünde wartet ein Versuchsmuster der Fi 103 auf den Start. Beachtenswert ist
die vordere Gabel für das Schubrohr, die hier noch ausserhalb der aerodynamischen
Haube liegt.
Gleich verlässt die Fi 103 die Startrampe. Der
Kolben dichtet das Rohr nicht vollständig ab, er
gleitet zur Verminderung der Reibung auf einer
Dampfschicht, so schießt schon eine
Dampfwolke vor dem Kolben aus dem
Rampenende. Der Kolben lässt auf seinem
Weg durch das Rohr auch etwas Dampf durch
den Schlitz austreten, daher die Wolke hinter
der Flugbombe.
Die Fi 103 fliegt jetzt frei. Der Kolben begleitet
sie noch ein Stück, anhaftendes Peroxyd
erzeugt bei ihm eine Dampffahne. Das Brett
unter dem Rumpf löst sich gerade.
Zu diesem Brett fehlen uns noch genaue
Zeichnungen oder Fotos, wer kann helfen?
Der Kolben fällt weiter in Richtung Boden, das
Brett, welches den Rumpf auf der Rampe
gestützt hatte, ist schon bis zum Heck
zurückgefallen.