Fieseler Fi 103 - Steuerung
Zwei Kompasse für die Kurssteuerung
Zur Ansteuerung eines vorgegebenen Zieles ist die Fi 103 mit einem System zur Einhaltung eines Kurses, einer
bestimmten Flughöhe und der richtigen Fluglage augerüstet. Der Kurs wird entweder direkt von der Startschleuder
vorgegeben oder von der Winkelschussvorrichtung nach einer bestimmten Flugstrecke durch eine Umlenkung
eingenommen.
Dieses Steuersystem bestand aus einem Magnetkompass in einer Holzkugel in der Spitze des Flugkörpers und
einem Kurskreisel, dessen Steuersignale durch jeweils einen Dämpfungskreisel für den Kurs und für die
Höhenregelung korrigiert wurden. Diese Trägheitssteuerung wurde von den Berliner Askaniawerken entwickelt.
Der Magnetkompass stellt sich über zwei Stabmagneten nach Norden ein. Vor dem Start wird der ganze Flugkörper
in einem speziellen unmagnetischen Raum gegen magnetische Störungen aus der eigenen Zelle kompensiert. Fest
mit den Magneten ist eine unsymmetrische Steuerscheibe verbunden. Diese wird von zugeführter Pressluft
angeblasen. Zwei Abnahmeleitungen sind fest mit der Zelle verbunden, drehen sich also mit dem Flugkörper. Kommt
die Fi 103 vom Kurs ab, dreht sich die genordete Steuerscheibe gegenüber der Zelle und bewegt eine Blasdüse über
eine von zwei Luftleitungen. Der daraus resultierende einseitige Luftstrom durch diese Leitungen ergibt das
Steuersignal. Ein Umwandler erzeugt aus dem wechselnden Luftdruck elektrische Signale, diese werden zur
Kreiselplattform im Heck geleitet. Durch Elektromagnete wird damit eine Auswanderung des Kreisels korrigiert.
Der Magnetkompass erzeugt die Richtungsanzeige für den Flugkörper nicht allein. Als zweite Instanz ist noch das
Askania-Steuergerät vorhanden. Ein Trägheitskreisel dreht sich raumstabil im Geräteteil im Heck des Flugkörpers.
Angetrieben wird der Kreisel durch einen Luftstrom aus den Presslufttanks. Dreht die Flugkörperzelle gegenüber
dem Kreisel werden, ähnlich wie beim Magnetkompass, Luftleitungen entweder mehr oder aber weniger abgedeckt
und geben so ein Steuersignal. Um ein Aufschaukeln von Steuersignalen und daraus resultierenden
Steuerbewegungen zu verhindern, gibt es für die Kurs- und für die Höhenachse je einen Dämpfungskreisel. Dieser
“glättet” das entsprechende Signal. Der Lagekreisel wird vor dem Start auf volle Drehgeschwindigkeit hochgefahren
und kurz vor dem Abschuss freigegeben.
Die Einhaltung der vorgegebenen Flughöhe wird über eine Druckdose geregelt, die wie beim Flugzeug-
Höhenmesser ihren Innendruck gegenüber einem Referenzdruck ausgibt.
Messung der zurückgelegten Flugstrecke
Die Erfassung der Flugentfernung wurde durch ein Luftlog durchgeführt. Ähnlich wie bei solchen Geräten in der
Seefahrt im Wasser, drehte hier ein Propeller im Luftstrom und gab bei jeder halben Umdrehung einen Impuls an
ein Zählgerät im Heck ab.. Bei einer vor dem Start festgelegten Anzahl von Umdrehungen (also die Flugstrecke)
gab das Zählgerät Steuersignale ab. Diese führten entweder beim Winkelschuss zu einer Kursänderung oder beim
Erreichen der Zielentfernung zur Aktivierung des Abstiegsgerätes. Dann wurde das Triebwerk gestoppt, das Höhen-
und Seitenruder in Neutralstellung blockiert und zwei unsymmetrische Störklappen am Höhenleitwerk in den
Luftstrom gestellt. An Flugzeugen, etwa an einer Messerschmitt Bf 110, wurde das Fluglog in Peenemünde erprobt
und kalibriert.
Text:
- Uwe W. Jack
Abbildungen:
- Mit freundlicher Genehmigung des Militärhistorischen Museums - Flugplatz Gatow
und Sammlung Uwe W. Jack
Oben links: Die Rumpfspitze aus Leichtmetall
mit der befestigten hinteren Hälfte der Holzkugel
(genannt “Kessel”) für den Magnetkompass. Der
Kompass ist in dem Metallring in zwei Ebenen
kardanisch aufgehängt. Eine der drei
Schlauchleitungen führt Pressluft zu, die beiden
anderen Leitungen greifen über Ablenk-
Elemente die Stellung des Kompass ab.
Oben rechts: Der fertig montierte Kompass ist in
der kompletten Holzkugel gegen äußere
Einflüse abgeschirmt.
Oben: Eine Bf 110 mit dem Rumpfvorderteil
der Fi 103 am Bug während einer
Feierstunde in Peenemünde.
Links: Das Luftlog an der Spitze der Fieseler
Fi 103 drehte sich im Fahrtwind und gab über
den Kontaktstift jede halbe Umdrehung einen
Zählimpuls ab. Auf je 100 Meter Flugweg
drehte sich das Log 30 Umdrehungen.
Schema 1 der Steuerung der Fi 103. - durch Klicken vergrößern -
Die beiden Rudermaschinen für Seiten-
und Höheruder sind auf der
durchgehenden Höhenflosse in der
Hecktüte montiert. Ein “Steuerschieber”
(Kolben) wird durch Druckluft bewegt und
betätigt über eine Stoßstange das
jeweilige Ruder.
Die Schläuche für die Betriebs-Pressluft
und Steuerungsluft von der
Kreiselplattform sind gut zu sehen.
Die Rudermaschine für das Höhenruder
liegt hinten (im Foto rechts) in der Tüte,
für das Seitenruder vorne.
Schema 2 der Steuerung der Fi 103. - durch Klicken vergrößern -
Die Rudermaschinen von der anderen
Seite her gesehen, die Spitze der Fi 103
ist jetzt also rechts. Oben kommen die
vier Leitungen vom Kreiselkompass. Je
zweimal Steuerluft für eine
Rudermaschine für rechts/links
beziehungsweise hoch/runter.
Die fünfte, untere Leitung bringt die
Betriebs-Pressluft und wird über einen
Verteiler auf zwei Druckschläuche, je
einer für eine Rudermaschine, aufgeteilt.